Yes – we can!
Ein mutiger Schritt der Call Center-Branche zum Opt-Out als Lösungsweg?
In den USA geht was! Der Digital Advertising Alliance – ein Zusammenschluss mehrerer großer Verbände von US-Werbeunternehmen – hat eine neue, innovative selbstbeschränkende Maßnahme der Branche vorgestellt, bei der sich Verbraucher durch einen einfachen Klick auf ein „Opt-Out-Icon“ von verhaltensbasierten Werbeanzeigen ausschließen können. Mit dieser Initiative wollen die Werbedienstleister einer Regulation durch die US-Handelskommission zuvorkommen (hier finden Sie die komplette Berichterstattung bei heise.de).
In Deutschland ist die Situation ähnlich – nur das Medium ist (noch) ein anderes. Es ist gerade einmal zwölf Monate her, da trat das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung in Kraft. Seither sind die Verbraucherschützer auf dem Kriegspfad. Schon bevor die Abgeordneten im Bundestag die Arme zur Abstimmung gehoben hatten, kritisierten sie das Gesetz als zu lasch und wirkungslos.
Seither sammeln Sie Beschwerden. In den Medien summierte man die Beschwerden bei der Bundesnetzagentur zum großen Thema Telefonwerbung auf über 205.000. Ob die Anrufe unerlaubt oder unerwünscht sind, ob der Verbraucher vielleicht doch einmal seine Einwilligung erteilt hat oder eben nicht – all das sind in der öffentlichen Diskussion Lappalien.
Jetzt tritt die Politik erneut an, um den armen Verbraucher vor den bösen Call Centern zu beschützen. So sollen der illegale Akt des unerlaubten Anrufes und ein daraus resultierender Vertrag so lange schwebend wirksam sein, bis die Verbraucher ihn schriftlich, per Mail oder SMS bestätigen. Zudem drohen höhere Bußgelder und auch eine „Vorwahl“ für Telefonwerbung ist im Gespräch.
Was also tun?
Nehmen wir uns doch die US-Werbewirtschaft als Beispiel! Bieten wir eine wirklich funktionierende selbstbeschränkende Maßnahme an: Ein gültiges Opt-Out!
Gehen wir einmal von etwas völlig Abwegigem aus: Der Verbraucher hat einen eigenen Willen und kann selbst entscheiden. Doch – ganz ehrlich – es soll Menschen geben, die wissen, dass man ein Telefongespräch durch simples Auflegen einfach beenden kann. Wenn wir also von dieser nahezu grotesken Tatsache ausgehen, dann könnten wir dem Verbraucher vielleicht auch zutrauen, dass er selbstständig entscheiden kann, ob er zu Werbezwecken angerufen werden will.
Stimmen Sie mir soweit zu?
Dann wage ich mich jetzt sehr weit aus dem Fenster heraus: Lassen wir ihn doch einfach entscheiden!
Richten wir eine Liste nach Vorbild der Robinsonliste ein, in die sich jeder eintragen kann, der nicht angerufen werden will. Diese Liste ist für alle Beteiligten rechtlich verbindlich und muss von den Telefonwerbern abgeglichen werden. Kommt es trotzdem zu einem Werbeanruf, dann ist der illegal und mit einem hohen Bußgeld zu ächten. Und jeder Vertrag, der trotz bestehenden Listeneintrags zustande kommt, ist automatisch nichtig! Die Überprüfung ist einfach – für jeden Geschäftstätigen und jedes Gericht. Alle teilnehmenden Unternehmen werden mit einem Siegel für „sauberes Telefonmarketing“ ausgezeichnet. Bei Verstößen drohen hohe Vertragsstrafen.
All dies kann man zunächst als selbst beschränkende Maßnahme organisieren – oder man geht noch weiter und schlägt dem Gesetzgeber einen gemeinsamen Feldversuch und eine gemeinsame Entwicklung einer verlässlichen Gesetzesgrundlage vor.
Das wäre doch allemal eine Diskussion wert: Eine klassische Opt-out-Lösung, die viele Probleme lösen, Rechtssicherheit schaffen würde und Ruhe für Verbraucher und Planungssicherheit für Unternehmen bedeutet. Und noch eines: Die Branche käme aus ihrer passiven Rolle endlich heraus und könnte aktiv handeln und ihre Zukunft auch politisch mitgestalten. Ganz nach amerikanischem Vorbild: Yes – we can!
Hat die CC-Branche eine Bringschuld bei diesem Thema oder der Verbraucher. Sind die Beschwerden, die bei der Bundesnetzagentur aufgelaufen sind, nicht aussagekräftig? Ich glaube schon. Viele, die genervt sind, rufen gar nicht an. Viele wissen nicht einmal von den Beschwerdemöglichkeiten. Ich halte die Umkehr der Beweislast für den besseren Weg: http://ne-na.de/unerlaubte-werbeanrufe-smart-service-initiative-fordert-umkehrung-der-beweislast-und-aufzeichnungspflicht-f-r-call-center-gesetzesnovelle-hat-ziel-verfehlt/
Schriftliche Bestätigungen wären in der Tat schwachsinnig und nicht so ganz mit dem BGB in Einklang zu bringen.
Guten Morgen Herr Sohn!
Die Aufzeichnung des Geschäftsabschlusses durch die Call Center ist sicherlich eine adäquate Methode, um einen Vertrag zu dokumentieren. Aber sie geht an der augenblicklichen Diskussion vorbei.
Eine schriftliche Bestätigung von Verträgen soll es nur geben, wenn der eigentliche Anruf ohne gültiges Opt-In stattfand. Sprich: ein illegaler Akt soll mit einem legalen Vertragsabschluss beendet werden. Das legalisiert aber noch nicht den Anruf! Das bedeutet also, dass eigentlich kein ordentliches Call Center jemals eine schriftliche Bestätigung einfordern wird, weil es ja ansonsten den Anschein hat, man würde ohne Opt-In anrufen. Jede Unterschrift könnte so als Hinweis für Cold Calls genutzt werden und die Bundesnetzagentur auf den Plan bringen. Das ganze ist völlig unlogisch.
Zudem gibt es beim Opt-In kaum Rechtssicherheit. Zu viele Gerichte entscheiden zu unterschiedlich über die Gültigkeit des Opt-Ins.
Die Aufzeichnung des Vertragsabschlusses wäre also nur ein Mosaiksteinchen – aber das Übel würde nicht bei der Wurzel gepackt.
Wenn wir alles auf Null stellen würden und zu einer Opt-Out-Regelung kommen würden, dann hätten wir aber für jeden Telefonwerber absolute Rechtssicherheit. Steht der Verbraucher auf der Opt-Out-Liste – ja oder nein? Das ist die einzige Frage, die über Recht und Unrecht, Vertrag oder Bußgeld entscheidet.
Im übrigen hinkt Ihr Beispiel mit Pizzen, Lieferservice oder Flugtickets. Die ganze Diskussion dreht sich ausschließlich um Outbound-Calls! Und mich hat noch nie eine Pizzeria angerufen, um mir eine Calzone zu verkaufen. Den Lieferdienst rufe immer noch ich an – ebenso wie die Fluggesellschaft. Diese Vertragsabschlüsse im Inbound standen nie zur politischen Diskussion.
Stimme Mathias Wieland absolut zu!
Die sauberste Lösung wäre in der Tat ein mutiger Schritt zu einer klaren und zentralen Opt-Out-Lösung.
Jeder Anruf, jede Mail, jedes Fax an einen Teilnehmer, der entsprechend optiert hat, wäre damit rechtswidrig und kann mit entsprechenden Sanktionen belegt werden, ohne langwierige Diskussionen über das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein von gültigen Opt-Ins. Das würde endlich die Diskussion versachlichen und auch den Unternehmen und den Verbrauchern eine eindeutige Rechtsgrundlage verschaffen.
Übrigens spitzt sich die Situation auch in der b2b-Kommunikation zu. Immer mehr Gerichte weisen auch die Berufung auf ein so genanntes “vermutetes Einverständnis” im Geschäftsbereich zurück. Für werbetreibende Unternehmen (und wie will man sonst an Kunden kommen?) ist das eine unerträgliche rechtliche “Schwebesituation”. Der werbetreibende Unternehmer weiß heute auch im geschäftlichen Umfeld praktisch nie genau, ob das, was er tut (noch) legal ist, da die Gerichte unvorhersehbar und uneinheitlich entscheiden! Auch in diesem Umfeld wäre eine zentrale Opt-Out-Datenbank mehr als hilfreich.
Dies könnte auch endlich die teils hysterisch geführte Diskussion beenden.
Also, haben wir den Mut zu einem solchen Schritt?!
Ich habe eine etwas andere Idee und will das an einem Beispiel klar machen. In den letzten Monaten haben wir für unser Hotel (www.hotellariana.com) geworben. Wir haben Menschen kennen gelernt, die sagten einfach “Bitte nicht mehr, interessiert uns nicht”,. Wir haben das natürlich sofort akzeptiert. Wir haben Menschen kennen gelernt, die uns aufs Unflätigste beschimpft haben. Wir haben auch das akzeptiert. Und wir haben 64 neue Gäste in unser Hotel bekommen, die gesagt haben: “Ohne eure Werbung hätten wir dieses Kleinod und euch nie kennen gelernt.”
Was also tun? Meine Meinung, 1 Versuch sollte erlaubt sein, und dann in jedem Fall “Neins” für die Zukunft akzeptieren. Und sensible Menschen am Telefon, die sofort die Stimmung erkennen und entsprechend reagieren. Und keine Hardseller und Telefonrambos.
Hallo Günter,
an sich eine interessante Vorstellung, die sich aber kaum mehr wird umsetzen lassen. Ich halte die klare Opt-out-Lösung heute für absolut sinnvoll. Damit ist eindeutig geregelt, wer angesprochen werden darf und der mündige Bürger kann sich selbst entscheiden, ob er das möchte. Alle Unternehmen sind bußgeldbewehrt gehalten, sich vorab zu informieren, sonst ist die Kontaktaufnahme rechtswidrig und die Verträge nichtig. Eindeutig und klar für alle Marktteilnehmer.
Wie wäre es mit einer Medienkampagne für das Opt-out? TeleTalk, CallCenter Profi und CCExpert Site sowie acquisa und andere?
Die bereits vorhandenen Robinsonlisten für eMail, Mobilfunk, Telefon und Post sind noch viel zu wenig bekannt. Insofern werden bereits existierende Instrumentarien zur fairen Handhabung von Werbekontakten vom Verbraucher bislang kaum ausgeschöpft. Hier wäre eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zur Steigerung des Bekanntheitsgrades ein erster sinnvoller Schritt, bevor neue Schutzmechanismen medienwirksam gefordert werden.
Liebe Frau Simmet!
Die Robinson-Liste wird vom DDV ausschließlich für Printwerbung geführt. Ein Verbraucher kann sich dort NICHT für Telefonwerbung austragen. Die Argumentation des DDV ist recht einfach: Telefonwerbung ohne Opt-In ist verboten – also brauchen wir auch keine Liste zum Austragen.
Vor diesem Hintergrund nutzt uns die Robinson-Liste beim Thema Telefonwerbung also gar nicht.
Zudem gibt es ja noch ein Problem mit der Robinsonliste an sich: Der DDV bietet die urspüngliche Robinson-Liste – fest gesagt – ausschließlich für Printwerbung an. Im Internet findet sich unter der Trägerschaft eines anderen Vereins eine weitere Robinsonliste, die auch für Telefon etc. Einträge anbietet. Beide Listen haben aber – außer dem offenbar ungeschütztem Namen – nicht gemeinsam. Das ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Branche mehr als bescheiden.
Um Rechtssicherheit auf Dauer zu bekommen, müssen wir neue Wege gehen – und eine Opt-Out-Lösung wäre ein ganz neuer Weg.
Beste Grüße
Mathias Wieland